LOW PERFORMER
Nach § 1 Absatz 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist eine Kündigung
sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des
Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Welche Gründe im Einzelfall zu einer
verhaltensbedingten Kündigung führen können, ist gesetzlich nicht weiter
festgeschrieben. Nach der Rechtsprechung können insbesondere Störungen im
Leistungsbereich kündigungsrelevant sein. Die mangelhafte Erledigung
übertragener Arbeitsaufgaben kann eine solche Störung darstellen. In der
arbeitsgerichtlichen Praxis zeichnet sich aktuell ein zunehmender Trend ab,
dass sich immer mehr Unternehmen von vermeintlich leistungsschwachen
Arbeitnehmern, sog. „low performern“, trennen wollen. Von einem „low
performer“ spricht man, wenn ein Arbeitnehmer Minderleistungen erbringt, also
die tatsächlich erbrachte Leistung von der geschuldeten Leistung qualitativ
oder quantitativ negativ abweicht. Soweit der Grund für diese negative
Abweichung im Verhalten des Mitarbeiters begründet ist, kommt grundsätzlich
eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Aber
nicht jede Minderleistung rechtfertigt eine Kündigung. Ein Arbeitnehmer muss
nämlich nur die Leistung erbringen, die er subjektiv erbringen kann. Das
Bundesarbeitsgericht umschreibt dies mit folgenden Worten: „Der Arbeitnehmer
muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann.“ Der Mitarbeiter
erfüllt demzufolge seine Leistungspflicht, wenn er unter angemessener
Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet und ein
Arbeitsergebnis mittlerer Art und Güte abliefert. Nicht jeder Mitarbeiter,
dessen Leistung hinter dem Durchschnitt der Arbeitskollegen zurückbleibt, ist
also gleich ein „low performer“. Denn in jeder Gruppe gibt es immer eine
Person, die leitungsmäßig das Schlusslicht bildet. Arbeitsrechtliche
Sanktionen kommen vor diesem Hintergrund lediglich dann in Betracht, wenn ein
Mitarbeiter gerade nicht „tut, was er kann“, sondern einfach faul oder
nicht ausreichend motiviert ist, oder aber seine Fähigkeiten für seine
Aufgaben nicht genügend ausschöpft. Weil solche „Faulpelze“ in der
heutigen Arbeitswelt nur sehr selten anzutreffend sind, gelingt es Arbeitgebern
nur vereinzelt, einen vermeintlichen „low performer“ wirksam zu kündigen.
Dies belegt unter anderem eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München
vom 03.03.2011. Der Fall: Die Klägerin ist als kaufmännische Angestellte im
Betrieb der Beklagten insbesondere für den Versand von Paketen und
Frachtbriefen zuständig. Nach einer Reihe von Fehlern, wie etwa der Aufnahme
einer unzutreffenden Länderkennung, der falschen Bezeichnung des Frachtgutes
und der Nichtdeklarierung als Zollgut, kündigte die Beklagte das
Arbeitsverhältnis und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin Fehler
gemacht habe, die andere Arbeitnehmer nicht machten. Weiterhin wurde von Seiten
der Beklagten damit argumentierte, dass die Klägerin bis zu einer
Umorganisation anstandslos gearbeitet hätte. Es fehle ihr infolgedessen nicht
am nötigen Fachwissen, sondern an ihrer Bereitschaft, dieses Fachwissen
entsprechend einzusetzen. Die Klägerin wehrte sich gegen die Kündigung mit
der Begründung, dass dem Arbeitgeber kein Schaden entstanden sei. Zudem
würden auch andere Arbeitskollegen hin und wieder Fehler machen. Die vom
Arbeitgeber geschilderten Vorfälle würden außerdem lediglich Bagatellen
darstellen. Das Landesarbeitsgericht Münschen kam zu dem Ergebnis, dass die
streitgegenständliche Kündigung unwirksam sei. Zwar würde sich aus dem
Sachvortrag der Beklagten tatsächlich eine qualitative Minderleistung ergeben,
jedoch sei die Kündigung trotzdem nicht gerechtfertigt. Bei der Bewertung, ob
eine qualitative Minderleistung vorliege, komme es nämlich in erster Linie
darauf an, ob der Arbeitnehmer dasjenige tue, was er solle, und zwar so gut,
wie er es könne. Die Leistungspflicht sei demnach nicht starr, sondern
dynamisch und orientiere sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein
objektiver Maßstab könne dabei nicht angesetzt werden. Der Umstand, dass der
Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringe, müsse nicht
zwangsläufig bedeuten, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht
ausschöpfe. Allerdings könne eine langfristige deutliche Überschreitung der
durchschnittlichen Fehlerquote ein Indiz dafür sein, dass der Arbeitnehmer
seine vertraglichen Pflichten verletze. Hierzu müsse der Arbeitgeber dann aber
Tatsachen darlegen, aus denen sich nachweislich ergibt, dass die Leistung des
gekündigten Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer
zurückgeblieben sei. Notwendig sei insoweit also eine Vergleichsmöglichkeit
mit der „Vergleichsgruppe“. Dazu habe die Beklagte nicht genug vorgetragen.
Hierzu heißt es in der Entscheidung vom 03.03.2011 wörtlich: "Weder im ersten Rechtszug noch im
Berufungsverfahren hat die Beklagte jedoch zur Leistung vergleichbarer
Arbeitnehmer - nach dem Vortrag der Beklagten hat die Klägerin ihre Aufgaben
in einem Team von drei Mitarbeitern erledigt - in einem definierten Zeitraum
konkret vorgetragen. Die durchschnittliche Leistung bzw. durchschnittliche
Fehlerquote ist somit nicht nachvollziehbar dargelegt. Damit kann auch nicht
festgestellt werden, inwiefern die Klägerin die durchschnittliche Fehlerquote
längerfristig deutlich überschritten hat. Die von der Beklagten aufgelisteten
Fehler der Klägerin im Juni und Juli 2009, also nach der Abmahnung vom
03.06.2009, sind für sich genommen „eindrucksvoll“. Sie lassen jedoch
nicht erkennen, inwiefern diese Fehler über das Maß der Fehler vergleichbarer
Arbeitnehmer deutlich hinausgingen, und vor allem nicht, dass sich diese
negativen Abweichungen bei der Klägerin über einen längeren Zeitraum hinweg
erstreckt hätten. Zu einem entsprechenden Vortrag der Beklagten hätte auch
deshalb aller Anlass bestanden, weil das Arbeitsgericht ausdrücklich auf
dieses Problem hingewiesen hat." Der amtliche Leitsatz der Entscheidung
lautet wie folgt:
Eine ordentliche Kündigung wegen qualitativer Minderleistung setzt grundsätzlich voraus, dass die "Durchschnittsleistung" vergleichbarer Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum dargestellt wird, damit festgestellt werden kann, ob die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit beim gekündigten Arbeitnehmer über längere Zeit hinweg erheblich überschritten wird. Liegt eine solche Überschrteitung vor, kann dies je nach Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht vorwerfbar verletzt (Bundesarbeitsgerichts vom 17.01.2008 - 2 AZR 536/06).
Eine ordentliche Kündigung wegen qualitativer Minderleistung setzt grundsätzlich voraus, dass die "Durchschnittsleistung" vergleichbarer Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum dargestellt wird, damit festgestellt werden kann, ob die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit beim gekündigten Arbeitnehmer über längere Zeit hinweg erheblich überschritten wird. Liegt eine solche Überschrteitung vor, kann dies je nach Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht vorwerfbar verletzt (Bundesarbeitsgerichts vom 17.01.2008 - 2 AZR 536/06).