PERSONENBEDINGTE KÜNDIGUNG

Bei der personenbedingten Kündigung liegen die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich in der Person des Arbeitnehmers. Eine personenbedingte Kündigung ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit nicht (mehr) ausführen kann. Der wohl häufigste Fall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen einer langanhaltenden Krankheit oder häufigen Kurzerkrankungen, die zur Arbeitsunfähigkeit führt und auch in Zukunft führen wird. Im Gegensatz zur verhaltensbedingten Kündigung trifft den Arbeitnehmer bei der personenbedingten Kündigung grundsätzlich kein Verschulden, d.h. ein pflichtwidriges Verhalten ist nicht erforderlich.

Die Sozialwidrigkeit einer wegen Krankheit ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers ist in drei Stufen zu prüfen:

1. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Daraufhin muss der Arbeitnehmer gemäß § 138 Absatz 2 ZPO darlegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Dieser prozessualen Mitwirkungspflicht genügt er bei unzureichender ärztlicher Aufklärung oder Kenntnis von seinem Gesundheitszustand schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet.

2. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigung ist Teil des Kündigungsgrundes. Damit ist klargestellt, dass die unzumutbare Belastung des Betriebes nicht bereits zum Kündigungsgrund gehört. Hierbei kommen grundsätzlich nur zwei Arten von Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen in Betracht:

a) Wiederholte kurzfristige Ausfallzeiten des Arbeitnehmers können zu schwerwiegenden Störungen im Produktionsprozess wie Stillstand von Maschinen, Rückgang der Produktion wegen kurzfristig eingesetzten, erst einzuarbeitenden Ersatzpersonals, Überlastung des verbliebenen Personals oder Abzug von an sich benötigten Arbeitskräften aus anderen Arbeitsbereichen führen (Betriebsablaufstörungen). Solche Störungen sind nur dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn sie nicht durch mögliche Überbrückungsmaßnahmen vermieden werden können. Hierzu gehören Maßnahmen, die anlässlich des konkreten Ausfalls eines Arbeitnehmers ergriffen werden, wie die Neueinstellung einer Aushilfskraft, aber auch der Einsatz eines Arbeitnehmers aus einer vorgehaltenen Personalreserve. Die Möglichkeit der Einstellung von Aushilfskräften ist bei Kurzerkrankungen gegenüber Langzeiterkrankungen eingeschränkt. Können und werden auf diese Weise Ausfälle überbrückt, so liegt bereits objektiv keine erhebliche Betriebsablaufstörung und damit insoweit kein zu sozialer Rechtfertigung geeigneter Grund vor. Ist eine Betriebsablaufstörung mit den geschilderten Mitteln nicht zu vermeiden, so gehört zum Kündigungsgrund, dass die Störung erheblich ist. Ist dies der Fall, so ist in der dritten Stufe bei der Interessenabwägung zu prüfen, ob weitergehende Überbrückungsmaßnahmen zur Behebung der Störung dem Arbeitgeber zumutbar sind.

b) Ein zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeigneter Grund kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers sein. Davon ist auszugehen, wenn mit immer neuen beträchtlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers und entsprechenden Mehraufwendungen für die Beschäftigung von Aushilfskräften zu rechnen ist. Das gilt auch für außergewöhnlich hohe Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen aufzuwenden sind. Dabei ist nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses und nicht auf die Gesamtbelastung des Betriebes mit Lohnfortzahlungskosten abzustellen.

3. Liegt nach den vorstehenden Grundsätzen eine erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in einer dritten Stufe im Rahmen der nach § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheit des Einzelfalles vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, dass sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Bei der Interessenabwägung ist allgemein zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ferner das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers. In der dritten Stufe ist ferner zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen durch an sich mögliche weitere Überbrückungsmaßnahmen zu verhindern. Dies gilt zunächst für die Betriebsablaufstörungen. Sie können insbesondere in kleinen Betrieben zu erheblichen Belastungen führen, wenn durch das wiederholte, nicht voraussehbare Fehlen eines Arbeitnehmers der Personaleinsatz kurzfristig verändert werden oder der Arbeitsplatz zeitweise unbesetzt bleiben muss. Hält der Arbeitgeber eine Personalreserve vor, durch die der konkrete Ausfall des Arbeitnehmers ohne Umsetzungen oder andere organisatorische Maßnahmen überbrückt werden kann, so fehlt es, wie bereits ausgeführt, an einer Betriebsablaufstörung und damit an einem Kündigungsgrund. Erst wenn die vorhandene Personalreserve nicht ausreicht, ist zu prüfen, ob etwa die Einstellung einer Aushilfskraft oder das Vorhalten einer größeren Personalreserve zumutbar ist. Vermeidet der Arbeitgeber bereits durch die vorgehaltene Personalreserve weitgehend Betriebsablaufstörungen, so sind von ihm weniger Überbrückungsmaßnahmen zu verlangen. Die Vorhaltung einer Personalreserve ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Belastung des Arbeitgebers mit erheblichen Lohnfortzahlungskosten ebenfalls zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Der zweite Senat hat in dem Urteil BAGE 45, 146 zunächst ausgeführt, ganz erheblich für die Frage, wann Lohnfortzahlungskosten eine Kündigung rechtfertigen, sei auch ein Vergleich mit Arbeitnehmern, die eine vergleichbare Arbeit unter ähnlichen Bedingungen verrichten. Sei auch bei den Kollegen die Quote der krankheitsbedingten Ausfälle besonders hoch, dann könne nur eine ganz erheblich höhere Ausfallquote eine Kündigung rechtfertigen, und dies auch nur, wenn Überbrückungsmaßnahmen nicht erfolgreich oder nicht zumutbar gewesen seien. Dies bedeutet jedoch nicht, dass stets neben den Lohnfortzahlungskosten als Voraussetzung für eine unzumutbare Belastung auch noch Betriebsablaufstörungen oder weitere belastende Auswirkungen vorliegen müssten. Wie sich aus den Ausführungen des zweiten Senats des BAG im Urteil vom 16.02.1989 ergibt, stellt im Bereich der wirtschaftlichen Beeinträchtigung die Aufwendung erheblicher Kosten, um eine bestimmte, auf Erfahrungsregeln beruhende krankheitsbedingte Fehlquote durch eine Personalreserve abzudecken, eine Maßnahme dar, die als zusätzlicher weiterer Umstand die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit weiteren Lohnfortzahlungskosten unzumutbar machen kann.